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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 6 K 74/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 10 Abs.1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

6 K 74/06

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die zutreffende Bemessungsgrundlage bei der Vermietung und Verpachtung von gewerblichen Räumen.

Die Klägerin ist eine Bau- und Grundstücksgesellschaft. In den Streitjahren 1995 - 1997 vermietete sie Gewerberäume umsatzsteuerpflichtig an andere Unternehmer. Die Mietverträge enthielten folgende --standardisierte-- Kautionsvereinbarungen (vgl. § 23 Nr. 1 der Mietverträge über Gewerberäume):

"Der Mieter zahlt bei Abschluss des Mietvertrages eine Kaution in Höhe von DM ... Diese Kaution wird mit DM ... monatlich verzinst (ca. 2% bzw. 1,5% p.a.). Diese Zinsen werden von der Netto-Kaltmiete von DM ... in Abzug gebracht, so dass eine Miete von DM ... netto kalt verbleibt (...)."

Der Mietpreis wurde beispielhaft wie folgt berechnet (§ 5 der Mietverträge über Gewerberäume):

 DM
Nettokaltmiete (DM 905 ./. DM 7 Kautionszinsen)898
Betriebskosten-Vorauszahlung110
Heizkosten-Vorauszahlung110
 1.118
USt in gesetzlicher Höhe (15%)168
Gesamtmiete1.286

Entsprechend dieser Berechnung erklärte die Klägerin aus dem Mietverhältnis einen steuerpflichtigen Umsatz in Höhe von 1.118 DM und eine abzuführende Umsatzsteuer in Höhe 168 DM.

Auf dieser Basis erstellte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärungen für 1995 - 1997, welchen der Beklagte mit Festsetzungen nach § 168 Satz 2 AO vom 22.12.1997 (1995), 16.12.1998 (1996) und 13.07.1999 (1997) zunächst folgte.

Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung erließ der Beklagte am 15.07.2004 Umsatzsteueränderungsbescheide für 1995 - 1997. Die Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen aus den Mietverhältnissen erhöhte er hierbei um die auf die Nettokaltmieten angerechneten Kautionszinsen. Dies führte in 1995 - 1997 zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlagen in Höhe von 887 DM (1995), 4.383 DM (1996) und 3.861 DM (1997). Die festzusetzende Umsatzsteuer erhöhte sich entsprechend um 133 DM (1995), 657 DM (1996) und 579 DM (1997). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 13 des Betriebsprüfungsberichts vom 30.04.2004 und auf den Prüfungsvermerk II vom 06.04.2004 verwiesen.

Hiergegen legte die Klägerin am 16.08.2004 Einspruch ein. Durch die Einbeziehung der Kautionszinsen in die Steuerbemessungsgrundlage würde Umsatzsteuer auf Einnahmen berechnet, die nicht bezahlt worden seien und auch nicht bezahlt werden müssten. Zwischen den Mietparteien bestehe Einvernehmen, dass die vereinbarte Mietkaution unverzinslich sei. Die Berechnung des Mietpreises unter Einbeziehung der Kautionszinsen sei erfolgt, um die Unverzinslichkeit zivilrechtlich wirksam zu gestalten. Hierzu werde die Miete um einen fiktiven Kautionszins zunächst erhöht und gleichzeitig um diesen Betrag wieder gekürzt. Im Ergebnis erhalte der Mieter das Mietobjekt zu einem Mietzins, zu dem es von vornherein --kautionszinslos-- am Markt angeboten werde. Gegen echte Kautionszinsen spreche zudem, dass die "Zinsen" dem Mieter --im Wege der Verrechnung-- praxisfremd monatlich gutgeschrieben würden. Weiter müsse bedacht werden, dass die Mietkautionen wegen der vereinbarten Unverzinslichkeit von ihr --der Klägerin-- auch nicht verzinslich angelegt worden seien, sodass auch tatsächlich keine dem Mieter zuzurechnenden Zinsen entstanden seien.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25.04.2006 zurück. Es treffe nicht zu, dass die Mietparteien unverzinsliche Kautionen vereinbart hätten. In § 23 Nr. 1 des Mietvertrags über Gewerberäume sei ausdrücklich festgeschrieben, dass die Kaution mit DM ... monatlich verzinst werde. Dieser Zins werde monatlich von der Nettokaltmiete in Abzug gebracht; die Mietzahlung erfolge insoweit durch Verrechnung. Die Mieter wendeten damit sowohl die nach Verrechnung verbleibende Kaltmiete als auch den verrechneten Kautionszins i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG auf, um die vereinbarte Leistung zu erhalten.

Die Klägerin hat am 23.05.2006 Klage erhoben.

Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor:

Hintergrund der Tatsache, dass ausschließlich zinslose Kautionen vereinbart würden, sei, dass mit der Einführung des Zinsabschlagsteuergesetzes den Hausverwaltungen extrem hohe Verpflichtungen auferlegt worden seien, die mit der Verwaltung der Kautionen zusammenhingen. So würden die Kosten der Verwaltung und Erstellung von Zinsabschlagsbescheinigungen die Kautionszinsen um das Drei- bis Zehnfache übersteigen. Mit der Umlage dieser Kosten würden die Mieter mit einem Mehrfachen dessen belastet werden, was ihnen als Kautionszinsen --nach Abzug der Zinsabschlagsteuer-- gutgeschrieben werden könnte. Von daher liege es im Interesse von Mieter und Vermieter, Kautionszinsen und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Zudem habe das Finanzamt die Kautionszinsen und den Anteil der steuerpflichtigen Vermietungsumsätze falsch geschätzt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 07.12.2007 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 25.04.2006 aufzuheben und die Bescheide für 1995 - 1997 über Umsatzsteuer vom 15.07.2004 dahingehend zu ändern, dass die steuerpflichtigen Umsätze zu 15% in 1995 um 887 DM, in 1996 um 4.383 DM und in 1997 um 3.861 DM herabgesetzt werden und der Überschuss in 1995 um 133 DM erhöht sowie die Umsatzsteuer in 1996 und 1997 um 657 DM (1996) und 579 DM (1997) herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die Ausführungen der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2006.

Auf die Sitzungsniederschrift vom 12.12.2007 wird Bezug genommen.

Dem Gericht lagen die den Streitfall betreffenden Umsatzsteuer-, Rechtsbehelfs- und Betriebsprüfungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage --das Entgelt-- zu Recht um die auf die Nettokaltmieten angerechneten --ggf. fiktiven-- Kautionszinsen erhöht und die Umsatzsteuer entsprechend berichtigt.

1.

a. Nach § 10 Abs.1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung (Leistungsempfänger) aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Das erfordert zum einen die Feststellung, dass der Leistungsempfänger zugunsten des Leistenden etwas "für" die Leistung aufwendet, und zum anderen die (anschließende) Bewertung der Gegenleistung. Entgelt in diesem Sinne kann auch darin bestehen, dass der Leistungsempfänger dem Leistenden Kapital überlässt und auf eine Verzinsung des hingegebenen Kapitals verzichtet (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88, BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046).

b. Auch wenn die Vertragsparteien für eine Leistung einen bestimmten "Festpreis" vereinbart haben, können darüber hinausgehende Aufwendungen des Leistungsempfängers zusätzliches Entgelt "für die Leistung" sein. Dies gilt zumindest dann, wenn die Aufwendungen aufgrund keines anderen Rechts- oder Anspruchsgrundes als dem der Leistung zugrunde liegenden erfolgen (BFH-Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88, BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046). Auf die Frage, ob die Aufwendungen nach Maßgabe einer Entgeltsvereinbarung geschuldet werden, kommt es in diesen Fällen nicht an.

2.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei den hier streitigen --fiktiven-- Kautionszinsen um Entgelt i.S.d. § 10 Abs.1 Satz 2 UStG.

a. Zweck einer Mietkaution ist es, dem Vermieter eine Sicherheit zu geben, nicht, ihm Einkünfte zu verschaffen. Der Mieter erlangt mit der Hingabe der Mietkaution einen durch die Beendigung des Mietverhältnisses aufschiebend bedingten Rückzahlungsanspruch. Mit Rücksicht auf die fortschreitende Geldentwertung liegt es im Interesse des Mieters, dass das Kautionsguthaben durch Zinsgutschriften anwächst. Deshalb erwartet der Mieter, dass der Vermieter den übergebenen Betrag zu seinen Gunsten verzinst. Diesem Interesse des Mieters stehen berechtigte Belange des Vermieters nicht entgegen. Denn der Sicherungszweck der Kaution wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Vermieter sie verzinslich anlegt. Diese vom Bundesgerichtshof mit Rechtsentscheid in Mietsachenvom 08. Juli 1982 VIII ARZ 3/82 (BGHZ 84, 345) zur Wohnraummiete angestellten Erwägungen sind inzwischen in § 551 BGB (§ 550b BGB a.F.) zwingend vorgeschrieben. Danach hat der Vermieter eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme --getrennt von seinem Vermögen-- bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen, wobei die Zinserträge dem Mieter zustehen und die Sicherheit erhöhen, § 551 Abs. 3 BGB.

b. Diese für die Wohnraummiete getroffenen Regelungen gelten uneingeschränkt auch für die Geschäftsraummiete (BGH-Urteil vom 21. September 1994 XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138, NJW 1994, 3287 ). Sie stützen sich an keiner Stelle auf die Besonderheiten der Wohnraummiete. Auch bei einem gewerblichen Mietvertrag wird eine Mietkaution regelmäßig nicht vereinbart, um dem Vermieter eine zusätzliche Einnahmequelle oder --jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis-- ein zinsloses Darlehen zu verschaffen, sondern um seine sich aus dem Mietvertrag ergebenden Zahlungsansprüche abzusichern. Auch die Interessenlage der Vertragsparteien ist bezüglich der Mietkaution bei einem Vertrag über eine Wohnung nicht anders als bei einem Vertrag über gewerbliche Räume (BGH a.a.O.).

c. Hieraus folgt, dass die --ggf. fiktiven-- Kautionszinsen in jedem Fall in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage der Vermietungsumsätze einzubeziehen waren.

aa. Entweder haben die Mietvertragsparteien eine Barverzinsung der Kautionen gemäß § 23 Mietvertrag über Gewerberaum ausbedungen und die Zinsen damit entgeltlich i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG auf die Nettokaltmiete gemäß § 5 Mietvertrag über Gewerberaum angerechnet.

bb. Oder die Mietvertragsparteien haben die Erklärungen gemäß §§ 23, 5 Mietvertrag über Gewerberaum zum Schein abgegeben --vgl. § 117 BGB-- und eine Verzinsung nach ihrem wirklichen Willen abbedungen. In diesem Fall wäre der Verzicht der Mieter auf die ihnen von Rechts wegen zustehenden Kautionszinsen --vgl. a. und b.-- nach der Überzeugung des Gerichts als zusätzliches Entgelt "für die Leistung" des Vermieters erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88, BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046). Denn es ist kein anderer (Rechts)Grund als das Mietverhältnis ersichtlich, weshalb der Mieter auf die Verzinsung des dem Vermieter --der Klägerin-- hingegebenen (Kautions)Kapitals verzichten und die in dem Verzicht begründete Aufwendung tragen sollte (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88, BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046). An diesem Ergebnis änderte auch die --als wahr unterstellte-- Behauptung der Klägerin nichts, dass ein Kautionszinsverzicht für den Mieter im Saldo günstiger sei als eine Kautionsverzinsung. Denn in dem Fall trüge der Mieter die in dem Zinsverzicht begründete Aufwendung, um die Mietsache zu den für ihn wirtschaftlich günstigeren Konditionen nutzen zu können; an dem Entgeltcharakter des Zinsverzichts änderte sich insoweit nichts.

d. Die somit dem Grunde nach zutreffende Einbeziehung der --ggf. fiktiven-- Kautionszinsen in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die von dem Beklagten ermittelten Werte (vgl. Prüfungsvermerk II vom 06.04.2004) sind in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich (vgl. Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl., § 162 Rz. 37 m.w.N.; von Groll in Gräber, FGO, 6. Aufl., § 96 Rz. 18 f). Zur Widerlegung des Schätzungsergebnisses hätte die Klägerin ihre Einwände substantiieren müssen. So hätte sie im Rahmen ihrer auch im finanzgerichtlichen Verfahren bestehenden Mitwirkungspflichten --§ 76 Abs. 1 FGO-- den Sachverhalt aufklären und den geschätzten Werten tatsächliche Werte gegenüberstellen können. Ist diese Aufklärung aber mit einem unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden, so haben weder die Finanzverwaltung noch die Finanzgerichte eine gegenüber dem Schätzungsverfahren vorrangige Sachaufklärungspflicht (vgl. Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl., § 162 Rz. 20 m.w.N.; von Groll in Gräber, FGO, 6. Aufl., § 96 Rz. 13 ff m.w.N.). Zudem wertet das Gericht die Behauptung der Klägerin, dass der Anteil der steuerpflichtigen Vermietungsumsätze falsch geschätzt worden sei, als Schutzbehauptung. Denn wenn es der Klägerin mit diesem Einwand ernst gewesen wäre, so hätte sie ihn bei vernünftiger kaufmännischer Betrachtung nicht nur gegen die Schätzung der Kautionszinsen, sondern --mit Rücksicht auf die steuerliche Auswirkung-- zugleich und vor allem gegen den Ansatz der steuerpflichtigen (Grund)Umsätze erheben müssen. Einwände gegen die Höhe der von dem Beklagten geschätzten (Grund)Umsätze hat die Klägerin indes nicht erhoben.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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